Rüstung im Mühldorfer Hart

Die  Auseinandersetzung um den Erhalt des Bunkergeländes

Stand: April 1999

Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst

Niederschrift über die 254. Sitzung des Landesdenkmalrates am Montag, den 12. April 1999 im Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst

Zu Nr. XII/4-K4415/1-20/17 217 o.V.

Anwesende Mitglieder: Dr. Schosser (Vorsitzender), Prof. Dr. Albers, Herr Bach, Dr. Dengler-Schreiber, Dr. Dürr, Dr. Graf Egloffstein, Herr Fietz, Dr. Geiger, Prof. Dr. Glaser, Graf Fugger von Glött. Herr Hildmann, Herr Kuchenbaur, Herr Odenbach, Herr Pracher, Freiherr von Redwitz, Herr Rosenbauer, Herr Roth, Prof. Scherzer, Prälat Schneider, Prof. von Seidlein, Herr Starzmann, Prof. Dr. Wamser

Sonstige Anwesende: Prof. Dr. Petzet, Dr. Mosel, Marano, Dr. Lübbeke, Dr. Schaul (Bayer. Landesamt für Denkmalpflege), Frau Czisch (Verein MEMENTO e.V.), Landrat Rambold (Landkreis Mühldorf), Herr Thaimeier (DB Energie, NL Süd, München), Herr Herzinger (DB Energie, Leiter KW Reichenhall), Herren Doll und Schulz (DB Immobiliengesellschaft m.b.H. NL Rosenheim), Prof. Valentien (TU München-Weihenstephan), Dr. Zofka (Landeszentrale für politische Bildung), Frau Hammermann (KZ Gedenkstätte Dachau), Herr Hofmann und Frau Böhme (OFD Nürnberg, BV-Abteilung Sitz München), Herr Eisenreich (BFA Landshut), MR Meier (Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst).

TOP l: Rüstungsruine im Mühldorfer Hart, Gemeinde Mettenheim, Lkr. Mühldorf am Inn

Prof. Petzet führt in die Thematik ein und verweist darauf, dass dem Landesdenkmalrat schon mehrfach berichtet worden sei. Ohne Zweifel sei die Erhaltung der Überreste der Fabrikanlage notwendig. Die Sicherheitsfragen, die sich bei der Erhaltung der Anlagen stellten, seien zwar nicht gering, dürften aber nicht alleine ausschlaggebend sein.

Herr Starzmann zeigt sich von den Vorschlägen des Vereins "MEMENTO e.V." und von Herrn Prof. Valentien beeindruckt. Die noch vorhandenen Anlagen dürften nicht durch die Errichtung eines Zauns unzugänglich werden. Falls ein Zaun nicht zu umgehen sei, so müsste dennoch die Zugänglichkeit des Geländes sichergestellt werden. Seines Wissens stehe der Bund nach wie vor dazu, Mittel bereitzustellen.

Dr. Zofka verweist auf die Zuständigkeit der Landeszentrale für politische Bildung für Gedenkstätten. Die Landeszentrale (und damit der Freistaat Bayern) sei grundsätzlich bereit, das Gelände zu übernehmen. Allerdings werde sich das Verfahren gewiss hinziehen (z.B. durch die notwendige Beteiligung des Staatsministeriums der Finanzen).

Landrat Rambold schildert den bisherigen Verfahrensablauf vom Abbruchantrag des Jahres 1992 an. Über den seitens der Bundesrepublik Deutschland erhobenen seinerzeitigen Widerspruch habe die Regierung nicht entschieden. Nach einer Zuständigkeitsänderung habe im Jahr 1995 das Landratsamt den Abbruch abgelehnt; durch die Oberfinanzdirektion sei erneut Widerspruch erhoben worden, über den nach wie vor nicht entschieden sei. Bei einem Ortstermin im Jahr 1998 habe man darüber diskutiert, ob nur das noch stehende Bogensegment der ehemaligen Fabrikationshalle oder auch ein größerer Umgriff umzäunt werden sollte. Man habe sich damals auf einen Kompromiß mit einer größeren Umzäunung verständigt, ergänzend aber in Aussicht genommen, einen Lehrpfad einzurichten, Führungen zu organisieren und eine Überwachung zu gewährleisten. Der Landkreis sei kompromiß- und gesprächsbereit. Lediglich finanzielle Aufwendungen könne er (schon aufgrund eines Landkreisbeschlusses) nicht übernehmen. Landrat Rambold berichtet ergänzend darüber, dass der Landkreis Mühldorf bei der Aufarbeitung des Dritten Reiches womöglich eine Vorbildfünktion einnehme, da er in umfassender Form in einer ständigen Ausstellung das Thema präsentiere.

Herr Hoimann trägt vor, dem Bund fehle in denkmalschutzrechtlicher Hinsicht jegliche Kompetenz. Der Bund sei nur auf dem Weg über das allgemeine Kriegsfolgenregelungsgesetz involviert. Leider seien die Bemühungen, die Anlage in eine Trägerschaft "vor Ort" zu bringen, bisher gescheitert. Daraus sei der Gedanke, eine Umzäunung zu errichten, entstanden. Allerdings bedürfe es hierzu der Zustimmung von etwa 30 verschiedenen Grundstückseigentümern. Ob das, was aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht letztlich sein müsse, wirklich sinnvoll sei, stelle er, Hofmann, allerdings in Frage.

Frau Czisch definiert das Interesse des Vereins MEMENTO dergestalt, dass die Anlage nicht nur so stehenbleiben solle, wie sie sei, dass vielmehr künstlerische Überlegungen miteingebracht werden sollten. Femer solle das Waldlager in die Planungen mit einbezogen werden (säubern, in Denkmalliste aufnehmen).

Frau Hammermann hält die Errichtung eines Informationstafelsystems für sinnvoll, um eine Verbindung zwischen dem Waldlager und der ehemaligen Fabrikhalle herzustellen.

Prof. Valentien spricht sich dagegen aus, dass man die Anlage im Hinblick auf die Vegetation sich selbst überlasse und damit eine ständige Nivellierung bewirke. Auch gestalterische Ansprüche seien zu berücksichtigen. Die Abfolge von Bunker, Waldlager und Massengrab sei durch ein verbindendes Wegenetz zu verdeutlichen.

Prof. Glaser hält die Denkmalqualität für lediglich einen Gesichtpunkt unter mehreren. Bei der Planung von Gedenkstätten sei der Landesdenkmalrat nur partiell beteiligt. Die bisherige "Askese" des Bundes im Mühldorfer Hart verwundere ihn. Der Bund habe sich bisher immer wieder für Gedenkstätten engagiert. Seiner Ansicht nach müsste sich der Bund auch hier einer größeren Verantwortung stellen.

Herr Marano verweist auf die hohe Gefährlichkeit des derzeit frei zugänglichen Geländes. Man müsse Verständnis haben für den Wunsch des Bundes, diese freie Zugänglichkeit zumindest einzuschränken. Allerdings sei dies kein Grund dafür, die Schleifung der Anlage zu betreiben. Für das Landesamt für Denkmalpflege liege die Rettung des Denkmals im Grundsatz darin, dass man den Kernbereich einzäune, Wege anlege und für Sicherheit in einem angemessenen Umfang sorge. Gleich was man mache: einen Zaun werde man immer brauchen.

Graf Fugger verweist auf die notwendigen rechtlichen Überlegungen zur Verkehrsicherungspflicht. Derjenige, der verkehrssicherungspflichtig sei. habe alles zu unternehmen, um Gefährdungen Dritter zu beseitigen.

Prof. Petzet sieht den Bund mit in der Verantwortung, auch wenn er nicht Grundstückseigentümer sei. Das ganze sei bei gutem Willen kein unlösbares Problem. Um die Errichtung eines Zauns komme man im Grundsatz nicht herum. Immerhin brauche man hier kein neues Denkmal zu schaffen; die vorhandene Anlage sei eine Art Skulptur. Auch müsse man sich, wie von Prof. Valentien richtig dargestellt, überlegen, wie man mit der Vegetation umgehen wolle. Das Waldlager sei wohl ein Bodendenkmal. Letztlich rühre man hier an die Grundsätze der denkmalpflegerischen Praxis. Beruhigend sei immerhin, dass nicht einmal ein guter Vandale das Ganze richtig ruinieren könne. Möglicherweise sei wirklich die Anlegung eines Lehrpfads ein richtiger Weg. Für falsch hielte er archäologische Grabungen, Freilegungen oder ähnliche Arbeiten.

Herr Starzmann überlegt, warum der Bund hier nicht bereitwillig die Gelegenheit ergreife, die Anlage im Mühldorfer Hart als eines von vielen Mahnmalen zu erhalten. Letztlich sei das Ganze nämlich keine denkmalpflegerische, sondern eine politische Frage. Die Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht durch den Bund koste eine Menge Geld. Er frage sich, ob es sinnvoll sei, Geld in dieser Größenordnung, wie sie hier genannt werde, auszugeben. Offensichtlich drücke sich ja der Bund nicht vor seiner Pflicht, sondern er möchte lediglich die Übernahme der Anlage durch geeignete Träger vor Ort erreichen. Wenn hier schon relativ viel Geld investiert werden könne, so sollte die Landeszentrale für politische Bildung gemeinsam mit dem Bund ein Konzept entwickeln, um dieses Geld sinnvoll anzulegen und nicht nur für einen Zaun auszugeben. Darauf sollte der Landesdenkmalrat hinwirken.

Landrat Rambold hält nur den kleineren Teil der Anlage für gefährlich. Das Waldlager beispielsweise sei nicht gefährlich. Er sei aber der Auffassung, dass man mit einem Zaun wohl das ganze Trümmerfeld und nicht nur den noch stehenden Segmentbogen absichern müsste, deshalb brauche man die Anlage keineswegs abzuschließen. Einen Teil des Waldlagers könnte man an Ort und Stelle erfahrbar machen. Geschehe dies, so könnte man sich vor Ort wie auch in der Ausstellung des Landkreises informieren. Die Genehmigung zur Erstellung der Einzäunung würde vom Landratsamt erteilt werden. Der Landkreis sei auch bereit, an der Erarbeitung eines Konzeptes mitzuwirken. Allerdings müsste ein evtl. Wartungsaufwand. wie schon erwähnt, von dritter Seite bezahlt werden.

Herr Hofmann benötigt für sein Handeln eine politische Vorentscheidung. Derzeit bestehe eine solche Entscheidung nur für den Zaun.

Dr. Zofka erneuert seine Bereitschaft zur grundsätzlichen Übernahme und verweist erneut auf die notwendige Zustimmung des Finanzministeriums, die wegen der im Hintergrund stehenden Haftungsfragen nicht mit Sicherheit erteilt würde. Vielleicht sei eine evtl. negative Haltung aber dadurch auszuräumen, dass man durch die Errichtung eines Zauns, wenngleich mit öffentlichem Zugang, eine grundsätzliche Sicherung erreiche. Dr. Zofka bietet an, mit dem Bund darüber zu verhandeln.

Der Vorsitzende verweist auf das bestehende Manko, dass ein Trägerverein fehle.

Herr Starzmann referiert die Bereitschaft des Bundes, die Erhaltung der bestehenden Bauwerksteile als Mahnmal zu unterstützen. Man müsse dem Bund klarmachen, dass an Ort und Stelle nicht nur ein Zaun zur Herstellung der Verkehrssicherheit gewünscht werde. Man sollte dem Bund Vorschläge unterbreiten, wie das Geld, das bereitstehe, sinnvoll eingesetzt werden könne.

Prof. Petzet sieht in dem bisherigen erzielten Gesprächsergebnis nichts Neues. Der Bund sei bereit, einen Zaun zu erstellen. Ein Zaun werde auch benötigt. Deshalb sei es nur sinnvoll, dem Bund den Zaun erstellen zu lassen. Die anderen Dinge wie die Beschilderung des Geländes seien von vergleichsweise geringer Bedeutung. Für sie ließe sich auch eine anderweitige Finanzierung wohl finden.

Prof. von Seidlein verweist auf eine Reihe von Beispielen, wo größere Flächen eingezäunt seien und nicht an jeder Stelle die Möglichkeit bestehe, das Gelände zu betreten (beispielsweise der Nymphenburger Schlosspark). Er sehe keine besondere Problematik hier.

Landrat Rambold macht den Vorschlag, in seiner Dienststelle eine Planung für den Zaun erstellen zu lassen und diese Planung mit dem Landesamt für Denkmalpflege abzustimmen. Dem Bund könne dann die Planung zur Realisierung übergeben werden. Der Landkreis sei auch bereit, selber auszuschreiben. Der Bund müsse lediglich bezahlen.

Frau Czisch vertritt die Überzeugung, dass es für Schüler nicht ausreiche, wenn sie sich am Zaun "die Nase plattdrücken" könnten. Die Schüler müssten das Gelände schon auf irgendeine Weise auch betreten können.

Der Vorsitzende hält das Angebot des Landrats für großzügig.

Prof. Scherzer spricht sich für die Erstellung eines Gesamtplanungskonzeptes aus. Grundlagen dafür seien in den Arbeiten, die Prof. Valentien veranlasst habe, vorhanden.

Dr. Zofka reklamiert die Beteiligung für die Landeszentrale für politische Bildung.

Auch Herr Pracher spricht sich für die Errichtung eines Zaunes aus. Im Inneren könne man in einer zweiten Phase immer noch kleinere Teile weiter abgrenzen.

Herr Hofmann stellt klar, dass der Bund sich an den Kosten eines Zaunes nur in dem Umfang beteilige, in dem er Kosten aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht aufbringen müsste. Sollte eine wie immer geartete Planung überschießende Kosten ergeben, so müsste für die Kostendifferenz eine andere Stelle aufkommen.

Nach Ansicht von Landrat Rambold dürften an der Konzepterstellung nicht zu viele Beteiligte mitwirken, da dies lediglich erschwerend wirke.

Der Vorsitzende spricht sich dafür aus, das Angebot des Landrats anzunehmen und zunächst in Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege und der Landeszentrale für politische Bildung ein Gesamtkonzept zu erstellen.

Frau Czisch verweist abschließend auf eine Veranstaltung zur Thematik, die am 11.5.1999 in der Technischen Universität München stattfinde. Ein entsprechendes Faltblatt ist dem Protokoll beigefügt.

Geschichtswerkstatt Mühldorf