Rüstung im Mühldorfer Hart

Der "Mühldorfer Hart", das Waldstück im Bereich von Waldkraiburg, Ampfing und Mettenheim, stellte seinerzeit eine Rüstungsanlage gigantischen Ausmaßes dar. Noch heute kann man zahlreichen dieser Einrichtungen, bzw. Teilen davon, begegnen.

Im wesentlichen handelt es sich dabei um eine Fertigungsstätte zur Produktion des Strahlenflugzeugs "ME 262", einem Projekt, das als "kriegsentscheidend" eingestuft war. Mehrere derartige Projekte waren im Reich vorgesehen, eines davon hier im Mühldorfer Hart, andere in Kaufering bei Landsberg.

In den letzten Kriegsmonaten wurde ersichtlich, dass daneben der Bunker bei Mühldorf eine weitere Funktion erhalten sollte: Insbesondere die bombensichere Bauweise, aber auch die Tarnung ließen die Halle als geeignet erscheinen zur sicheren Unterbringung von Maschinen und Kriegsmaterial bis zum Ende des Krieges. Die Einlagerung hochwertiger technischer Maschinen und Geräte sollte diese von Kriegsschäden verschonen und so einem möglichst verlustfreien Übergangszeit zur Nachkriegszeit dienen. Bis Kriegsende konnten jedoch auch diese Planungen nicht mehr in die Tat umgesetzt werden.

Hier bei Mühldorf sollte unter dem Decknamen "Weingut I" die Inneneinrichtung für das Strahlenflugzeug in Serie produziert werden. Der dichte Wald der Umgebung bot dazu gute Möglichkeiten zur Tarnung, ebenso wirkte sich die Bahnlinie nach München mit dem Eisenbahnknotenpunkt Mühldorf sowie die Tatsache, dass im Mühldorfer Hart der Grundwasserpegel recht tief lag, günstig aus.

Um das gesteckte Ziel, die Produktion des Kampfflugzeugs, zu erreichen, wurden hier nicht nur die Produktionsstätte selbst, sondern auch zahlreiche Nebenbaustellen und Konzentrations- bzw. Zwangsarbeiterlager für die Häftlinge, die zum Bau eingesetzt wurden, errichtet.

Zu erreichen ist die gesamte Anlage heute über die Dillissenstraße, jene Sandstraße, die am Betonwerk "Innbeton" an der Staatsstraße zwischen Mühldorf und Waldkraiburg beginnt.

Die gesamte Planung und auch die Bauausführung oblag der "Organisation Todt", einer reichseigenen Bauorganisation für kriegswichtige Projekte, die hier in Mühldorf als "Einsatzgruppe Deutschland VI" tätig war. Zur technischen Durchführung des Baus wurde die Firma "Polensky & Zöllner" verpflichtet.

Die Mehrzahl der Arbeitskräfte, insgesamt über 10.000, setzte sich aus Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern und Häftlingen der umliegenden Konzentrationslager zusammen. Die Organisation Todt stellte dabei die Facharbeiter, Ingenieure und das Verwaltungspersonal. Allein an der Hauptbaustelle wurde in zwei Schichten zu je 4.000 Personen gearbeitet.

Kern der Rüstungsanlage war die "Hauptbaustelle", wo der "Fliegerbunker" errichtet werden sollte. Dieser Fliegerbunker, vom Volksmund so genannt und auch heute noch prägendes Element inmitten einer Ruinenlandschaft,  sollte sich auf einer Länge von vierhundert Meter erstrecken; die Breite betrug 85 Meter, die Gesamthöhe 32 Meter (davon 13 Meter oberirdisch und 19 Meter unter der Erde). Dabei wurde das Bauwerk in einzelnen Segmenten von je 33 Meter Länge errichtet. Die 30 Zentimeter breiten Fugen sollten später abgedichtet werden. Der Gewölbebeton sollte eine Gesamtstärke von fünf Metern aufweisen und anschließend zur Tarnung mit Bäumen und Sträuchern bepflanzt werden. Für den Innenausbau waren acht Stockwerke vorgesehen, je vier oberirdisch und vier unterirdisch.

Dadurch ergab sich eine Fertigungsfläche von ca. 110.000 Quadratmetern, die zwischen einzelnen Firmen aufgeteilt wurde, z.B. Siemens, Zeiss Jena, AEG, Telefunken. Von diesen Firmen hätten u.a. hier in Mühldorf Ventile, Rohre, Feinbleche, Fahrtmesser, Temperaturmesser, Motoren, Bordfunkgeräte und anderes Rüstungsgerät hergestellt werden sollen.

Das Widerlager der Halle hatte eine Stärke von bis zu siebzehn Metern Metern und war auf seiner gesamten Länge rechts und links mit je einem Tunnel durchzogen, in welchen in späteren Jahren chemische Kampfstoffe eingelagert werden sollten. Um die Halle mit ihren gigantischen Ausmaßen errichten zu können, musste man sich besonderer Fertigungstechniken bedienen. Dazu wurde zunächst in der Länge der geplanten Halle ein fünf Meter hoher Tunnel errichtet.

Anschließend erfolgte der Aushub für das Fundament, das dann zusammen mit den Luftschächten betoniert wurde. Der ausgehobene Kies wurde über den zuerst errichteten Entnahmetunnel aufgeschüttet und anstelle der sonst üblichen Stahlgerüste als Schalungskern für den Gewölbebogen verwendet. Die Oberfläche der Kiesaufschüttung wurde nun mit Magerbeton überdeckt und die Eisenarmierung für die Gewölbeschicht angebracht.

Nachdem der Beton des Gewölbes abgebunden hatte, wurde mit dem Abtransport des als Schalungskern verwendeten Kieses begonnen. Hierzu diente der eingangs errichtete Entnahmetunnel: Ein Transportzug mit Loren fuhr zunächst in den Tunnel ein, wo dann die Siloverschlüsse unter den Entnahmeöffnungen in der Decke des Tunnels geöffnet wurden, so dass der Kies selbständig durch die Öffnungen in die bereitstehenden Loren rann.

Nach dem Beladen verließ der Zug den Tunnel dann wieder. Später nach Abschluss der Erdarbeiten wurde der Entnahmetunnel wieder entfernt und weiter Erdreich entnommen bis die endgültige Tiefe von neunzehn Metern erreicht war.

Teile des Entnahmetunnels existieren auch heute noch.

Tatsächlich aber konnte bis Kriegsende die Anlage nicht fertiggestellt werden: Das Bild zeigt den "Baufortschritt" nach Ende des NS-Regimes, aufgenommen am 5.7.1945 von der Amerikanischen Armee.

 

Lageplan und Skizzen zum Bunkergelände Die Firma Polensky & Zöllner Die Nebenbaustellen  
Die Einsatzlisten Zeitzeugen zum Arbeitseinsatz Chemische Kampfstoffe im Bunkergelände Bemühungen um den Erhalt des Bunkergeländes

Weiterführende Hinweise erhalten Sie in der Veröffentlichung

"Der Landkreis Mühldorf im Nationalsozialismus"